Radikale Vergebung

Wir bekommen im Leben genau das, was wir wollen. Unser Urteil über das, was wir bekommen, bestimmt, wie wir unser Leben empfinden: ob schmerzhaft oder erfreulich. Durch das Gesetz der Resonanz ziehen wir jene Menschen an, die mit unseren Problemen harmonieren. So wird Heilung ermöglicht.

Bei herkömmlicher Vergebung ist sowohl die Bereitschaft zu vergeben als auch ein Rest von Schuldzu- weisung vorhanden. Das Opferdenken wird aufrechterhalten. Und nichts ändert sich.

Bei radikaler Vergebung ist die Bereitschaft zu vergeben, jedoch keine Schuldzuweisung vorhanden. Dadurch wird das Opferdenken beendet, und alles wird anders.

Die Seele kennt gewöhnlich keine Beschränkungen. Wenn sie inkarniert, erzeugt sie jedoch eine Persönlichkeit, ein Ego. Dieses Ego trägt den jeweils für seine Heilungsreise nötigen Charakter; und entscheidet sich dafür, die Verbindung zur Welt der göttlichen Wahrheit zu vergessen.

Herkömmliche Vergebung ist wirksam, weil sie an die höchsten menschliche Tugenden appelliert: Mitgefühl, Toleranz, Freundlichkeit, Großzügigkeit und Bescheidenheit. Diese Eigenschaften weisen auf Vergebung hin und bergen heilsames Potenzial. Sie bewirken jedoch - allein für sich - noch keine Vergebung. Radikale Vergebung ist in dieser Hinsicht nicht anders, da sie, um wirken zu können, an dieselben Tugenden appelliert.

Radikale Vergebung ist sich bewusst, dass Vergebung nicht willentlich bewirkt werden kann. Wir müssen bereit sein, zu vergeben um die Situation einer höheren Macht zu überlassen. Jegliche Vergebung entsteht nicht aus bewusster Bemühung, sondern aus der Offenheit, sie zu erfahren.

Hier liegt die Ursache des Opfer-Archetyps und des ständigen Bedürfnisses der Menschen, sich gegenseitig anzugreifen und sich voreinander zu verteidigen. Nachdem wir die Menschen, auf die wir unsere Schuld projizieren, angegriffen haben, fürchten wir die Gegenattacke. Also bauen wir eine starke Verteidigung auf, um uns und unsere vermeintliche Unschuld vor ihnen zu schützen. Auf einer bestimmten Ebene wissen wir, dass wir schuldig sind, also verstärken wir mit gesteigerten Verteidigungsanstrengungen auch unsere Schuld. Wir müssen ständig Menschen zum Hassen, Kritisieren, Beurteilen, Angreifen und Widersprechen finden, sodass wir uns selbst besser fühlen. Diese Dynamik bestätigt permanent das Glaubenssystem des Ego. Auf diese Weise sichert das Ego sein eigenes Überleben.

Erkennen wann wir projizieren

Sobald wir merken, dass wir über jemanden urteilen, wissen wir, dass wir projizieren. Ärger ist ein ständiger Begleiter der Projektion. Denn das Ego setzt diese Emotion ein, um die Projektion von Schuld zu rechtfertigen. Wann immer wir wütend werden, wissen wir, dass wir unsere eigene Schuld projizieren.

Was wir bei anderen angreifen und verurteilen, ist in Wirklichkeit das, was wir an uns selbst verdammen. Diese Einsicht ist der zentrale Gedanke der Radikalen Vergebung
und der Schlüssel zu unserer Heilung auf der seelischen Ebene.

Resonanz

Wir fühlen uns als Opfer anderer, weil sie mit unserer eigenen Schuld, Wut, Angst, oder unserem Ärger in Resonanz kommen. Wir haben das Gefühl, sie tun uns etwas an, was uns ärgert. Wenn wir uns klar machen, dass diese Gefühle bei uns selbst anfangen und nicht bei ihnen, können wir das Bedürfnis loslassen, uns als Opfer zu fühlen.

Der Kreislauf aus Angriff und Verteidigung :

Das Ego besteht aus nichts anderem als einer Ansammlung von Überzeugungen, von denen die wichtigste der Glaube an die Trennung von Gott ist. Unser gesamtes Leben ist geprägt von Unterdrückung, Abwehr und Projektion.

Angst vor Nähe :

Je näher wir einander und je näher der andere unserem wahren Selbst kommt, desto wahrscheinlicher wird es, dass unser Gegenüber die schuldbeladene Wahrheit über uns herausfindet. Diese Möglichkeit, erkannt zu werden, macht uns Angst. Und die Versuchung, auf unser Gegenüber zu projizieren, wird fast unwiderstehlich.

Anziehung und Resonanz :

Wir projizieren unsere Schuld und Wut auf andere Menschen, die mit unseren Gefühlen in Resonanz kommen können. Solche Menschen sind gut geeignet, für uns den Sündenbock zu spielen.

Unsere fundamentalen Überzeugungen haben ebenfalls eine bestimmte Frequenz. Indem wir sie laut aussprechen, geben wir unseren Überzeugungen mehr Energie, und sie erhalten eine kausale Qualität im Universum. Unsere ausgesprochenen Überzeugungen bewirken in unserer Welt bestimmte Veränderungen. Darüber hinaus kommen andere Menschen mit der energetischen Frequenz dieser Überzeugungen in Resonanz.

Wenn Sie wissen wollen, was Sie an sich selbst nicht mögen und zu welchen Ihrer Seiten Sie den Kontakt verloren haben, schauen Sie sich einfach an, was Sie an den Menschen, die in Ihr Leben gekommen sind, am meisten stört.

Automatische Umkehr der Projektion :

Ironischerweise scheinen uns gerade die Menschen sehr zu schaffen zu machen, die uns auf der Seelenebene am meisten lieben und unterstützen. Fast immer versuchen diese Menschen, uns etwas über uns selbst zu lehren und zu unserer Heilung beizutragen – häufig auf Kosten ihrer eigenen Bequemlichkeit.

Co – Abhängigkeit und gegenseitige Projektion :

Häufig finden wir Menschen, die unseren auf sie projezierten Selbsthass nicht nur annehmen, sondern verstärken, indem sie ihn auf uns zurückprojizierent. Wir tun im Gegenzug dasselbe. Beide lernen, sich gegenseitig durch eine stark an Bedingungen geknüpfte Liebe, die auf den darunter liegenden Schuldgefühlen beruht, zu manipulieren. In dem Moment, in dem uns die andere Person ihre Bestätigung entzieht, sehen wir uns wieder mit unserem Schuldgefühl und Selbsthass konfrontiert. Dann bricht alles in sich zusammen. Liebe verwandelt sich unmittelbar in Hass, und jeder Partner greift den anderen an. Das erklärt die vielen bröckelnden Beziehungen, die einst den Eindruck machten, sie seien von gegenseitiger Zuneigung und Liebe gestützt, und die an einem bestimmten Punkt fast über Nacht zu einem Hexenkessel aus Hass und Wut werden.

Ursache und Wirkung :

Das Gesetz von Ursache und Wirkung ist der Kerngedanke bei der Vorstellung, dass wir selbst unsere Realität schaffen. Nach diesem Gesetz hat jede Aktion eine entsprechende Reaktion. Daher muss jede Ursache eine Wirkung haben. Da Gedanken Kausaler Natur sind, hat jeder Gedanke eine Wirkung in der Welt. Wir erzeugen daher mit unseren Gedanken – wenn auch meist unbewusst – unsere Welt, die Welt des Menschlichen.

Sobald wir verstehen, dass die sogenannte Realität aus unseren Projektionen entsteht, können wir anfangen, für das von uns erzeugte Geschehen die Verantwortung zu übernehmen, statt andere dafür verantwortlich zu machen. Wenn wir unsere Wahrnehmung verändern und unsere Überzeugung aufgeben, was auf der Leinwand erscheint sei die Realität, erleben wir Radikale Vergebung.

Freiheit vom Gesetz :

Es ist wichtig zu erkennen, dass das Gesetz von Ursache und Wirkung nur in der Welt des Menschlichen  gilt. Es ist ein physikalisches Gesetz, kein spirituelles. Wenn wir uns einbilden, wir seien etwas Besonderes, weil wir in der Welt so gut manifestieren können, dann verstärkt das nur unsere Trennung und unser Ego. Wenn wir andererseits das Bedürfnis, das Warum und Weshalb von allem und jedem zu wissen, das Bedürfnis nach Kontrolle unserer Welt, völlig aufgeben und uns dem Geschehen anvertrauen, so wie es ist – im Wissen um die göttliche Liebe in allen Dingen – dann werden wir das Gesetz von Ursache und Wirkung überwinden können. 

Unternehmen „Amnesie“ :

Die Energie des Hasses wird transformiert, wenn jemand, der sich gehasst fühlt, die Liebe hinter dem Hass sieht und dem Menschen der ihn hasst, vergibt. In diesem Moment öffnen sich die Herzen, und Liebe fließt zwischen den beiden. So wird Hass in Liebe transformiert.

Transformation des Opfer – Archetyps :

Wir können nur etwas transformieren, wenn wir es als unsere spirituelle Mission begreifen. Etwas zu transformieren bedeutet nicht, es zu verändern. Um etwas zu transformieren, müssen wir es vollständig erfahren und so lieben, wie es ist.

Radikale Vergebung transformiert :

Jedes Mal, wenn wir uns in einer Situation, ob persönlich verwickelt oder nicht, entscheiden, das Vollkommene an der Situation zu sehen, verändern wir die Energie schlagartig.

Das Ego schlägt zurück  :

Radikale Vergebung erhöht unsere Schwingungen und hilft uns bei der spirituellen Entwicklung, indem sie uns daran erinnert : Wir sind spirituelle Wesen, die eine menschliche Erfahrung machen. Ein solches Wachstum ist eine echte Bedrohung für das Ego (definiert als das tief sitzende, komplexe System von Überzeugungen, das besagt, dass wir von Gott getrennt sind und er uns eines Tages für diese Entscheidung bestrafen wird).

Sobald wir das erkannt haben, muss das Ego sterben. Unsere Glaubenssysteme jeglicher Art widersetzen sich vehement allen Versuchen, ihre Unrichtigkeit zu beweisen. Das Ego ist keine Ausnahme. (Die Menschen demonstrieren ständig, dass sie lieber im Recht als glücklich sind).

Je mehr wir daher von Radikaler Vergebung Gebrauch machen, desto mehr wird das Ego sich wehren und versuchen, uns im Gefängnis unseres Opfer - Archetyps festzuhalten. Dies erreicht es unter anderem dadurch, dass es seine eigenen Methoden des spirituellen Wachstums verwendet.

Navajo Vergebungsritual :

Bei den Navajo - Indiandern, gibt es ein Ritual, mit dem sie verhindern, dass ein Stammesmitglied unaufhörlich seine Wunden leckt. Die Navajos erkannten sicherlich die Notwendigkeit, dass man über seine Wunden spricht und sie von der Gruppe zur Kenntnis genommen werden. Sie verstanden aber auch, dass man seinen Wunden, wenn man über sie spricht, Macht verleiht - besonders, wenn man es exzesiv tut. Drei mal darf ein Stammesmitglied seine Betroffenheit zum Ausdruck bringen, und alle hörten mit Empathie und Mitgefühl zu. Beim vierten Mal jedoch drehten alle der Person den Rücken zu, wenn sie in den Kreis kam. "Genug! Wir haben uns deine Sorgen nun drei Mal angehört. Wir haben es angenommen. Nun lass es los!"

Zeit, Medizin und Vergebung :

In der Vergangenheit war Gesundheit für uns die Abwesenheit von Krankheit. Heute denken wir bei Gesundheit daran, wie gut unsere Lebensenergie (Praha, Chi und so weiter) durch unseren Körper fließt. Um eine optimale Gesundheit aufrechtzuerhalten, muss die Lebensenergie frei fließen können. Wir können nicht gesund sein, wenn unser Körper mit den Energien von Groll, Wut, Depression, Schuld und Trauer verstopft ist.

Die Seatle - Studie über Vergebung :

Eine interessante, bislang unveröffentlichte Studie über Vergebung und Zeit wurde an der Seattle University in Washington State durchgeführt. Im Rahmen der Studie wurde eine Reihe von Interwiews geführt mit Menschen, die nach ihrer eigenen Aussage zum Opfer gemacht wurden. Die Forscher wollten herausfinden, wie diese Wahrnehmung sich im Lauf der Zeit veränderte. Erste Ergebnisse zeigten, dass innere Zufriedenheit, die beschrieben wurde als "frei von jeglichem Groll", nicht durch einen Akt der Vergebung, sondern durch die plötzliche Entdeckung kam, dass sie vergeben hatten. Alle berichteten : je mehr sie zu vergeben versuchten, desto schwieriger wurde es und desto mehr Groll verspürten sie. Erst als sie aufhörten mit dem Versuch zu vergeben und "einfach los ließen" kam die überraschende Erkenntnis, dass sie keinen Groll mehr hegten und in der Tat vergeben hatten.

Diese Studie betont nicht nur die Erkenntnis, dass Vergebung nicht willentlich bewirkt werden kann, sondern sie zeigt auch, dass Vergebung sich als innere Transformation durch eine Kombination aus dem Aufgeben festgehaltenen Grolls und dem Annehmen von Vergebung für sich selbst vollzieht.

Warum wir nicht heilen :

Zeit und Heilung stehen im direkten Zusammenhang. Um uns so weit zu entwickeln, dass wir uns selbst heilen können, müssen wir unser Bewusstsein überwiegend in der Gegenwart haben - nicht in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft, sondern im Jetzt. Carolyne Myss vertritt die Ansicht : Menschen die mehr als sechzig Prozent ihrer Lebensenergie dafür verwenden, die Vergangenheit aufrechtzuerhalten, sind nicht imstande, sich selbst energetisch zu heilen.

Unsere Wahrnehmung verschieben :

Die Verschiebung der Wahrnehmung ist der Kern der Radikalen Vergebung. All diese Prozesse führen uns ins Jetzt, indem sie uns helfen, unsere Energie aus der Vergangenheit und aus der Zukunft in die Gegenwart zu holen. Beides ist erforderlich, um einen Wandel herbeizuführen. Wenn wir im Jetzt sind, können wir keinen Groll empfinden. 

 Lieben Sie Ihre Wut :

Eine Emotion durch Reden zu verarbeiten, ist lediglich ein weiterer Versuch, sich gegen das Fühlen der Emotionen zu sträuben. Deshalb bewirken die meisten Gesprächstherapien nichts. Was man ablehnt, bleibt erhalten. Da Wut Energie in Bewegung ist, bleiben sie in uns erhalten, wenn wir uns gegen sie sträuben - bis der Vulkan ausbricht. Wut freisetzen, heißt in Wirklichkeit, die festgehaltene Energie zu befreien, indem wir zulassen, dass sie sich frei als Gefühl durch unseren Körper bewegt.  

Je näher wir einer Situation sind, desto schwerer fällt es uns, die Vollkommenheit darin zu sehen. Doch die Vollkommenheit zu sehen, heißt nicht immer, sie auch zu verstehen. Wir können nicht verstehen, warum die Dinge geschehen, wie sie geschehen. Wir sollten jedoch darauf vertrauen, dass sie immer vollkommen sind und zum höchsten Wohl aller geschehen.

( aus dem Buch "Ich vergebe" von Colin C. Tipping )

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